Nimby (Not In My Back Yard) – Oder: Der Heilige St. Florian ist überall

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Zwei Fälle erhitzen derzeit in der südlichen Innenstadt die Gemüter.

2013-12-10 17.39.38In der Severinstraße wollen Anwohner und die Stadtverwaltung die Ansiedlung von neuen Spielhallen, Sex-Shops, Wettbüros oder Vergnügungsstätten verhindern. Natürlich wirkt die Schaufensterfront mit den zugeklebten Scheiben von Spielhallen nicht einladend. Doch das ist vom Gesetzgeber so vorgesehen, der den Eintritt in Spielhallen erst ab 18 Jahren gestattet. Nun meint Anne-Luise Müller, Leiterin des Stadtplanungsamtes, dass die Ausstrahlung dieser Spielhallen „nicht sehr urban“ sei. Sie befürchtet, dass Spielhallen oder Wettbüros in einer Einkaufsstraße Cafés und Geschäfte verdrängen. Deshalb soll ein neuer Bebauungsplan für die Severinstraße die Neueröffnung von Spielhallen, Wettbüros, Sex-Shops oder Vergnügungsstätten verhindern (s. Bericht im Kölner Stadt-Anzeiger).

Der zweite Fall: In einem Mehrfamilienhaus in der Südstadt wirbt ein „Massagesalon“ im Internet mit Vereinigungsritualen, „erlösenden Liebesstellungen“ und „chinesischen Schlittenfahrten“. Im selben Miethaus leben Familien mit Kindern. Entsprechend sorgt die Neuvermietung der Gewerberäume im Erdgeschoss für Ärger (s. Bericht im Kölner Stadt-Anzeiger )

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In beiden Fällen geht es um die Frage: Wie viele Spielhallen, Wettbüros, Sex-Shops und sogenannte Vergnügungsstätten möchten wir in unseren Veedeln haben? Auf welcher rechtlichen Grundlage können wir eine Konzentration solcher und anderer Gewerbe regulieren? Durch solche Debatten wird man aber auch gezwungen darüber nachzudenken, wie man persönlich zu solchen Läden steht: Bin ich gegen solche Gewerbe, weil sie meinem persönlichen Lebensstil nicht entsprechen? Was ist für wen zumutbar? Ab welchem Punkt werden sie für eine Straße oder Stadtteil (objektiv) problematisch oder tragen zu einem Abwärtstrend eines Veedels bei? Ab wann muss ich Kinder, Jugendliche oder Ältere schützen?

An dieser Stelle bekenne ich: Ich gehöre nicht zum Kundenstamm von Wettbüros, Spielhallen oder Sex-Shops o.ä.

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Aber: Ich bin auch keine Freundin einer Nimby (Not In My Back Yard )-Politik … Ich weiß: Seit der Antike gibt es Kunden von Wettbüros, Spielhallen, Sex-Shops und Vergnügungsstätten. Und ich glaube, dass es sie auch in Zukunft geben wird. Wenn dem so ist, muss ich so ehrlich sein zu sagen, wo es sie geben soll. Nur zu sagen: In meiner Straße oder meinem Stadtteil nicht, ist zu wenig. Also in andere Stadtteile damit, um die Abwärtsentwicklung meines eigenen Viertels zu verhindern? In Stadtteile, die sowieso schon genug Integrationsleistungen für unsere Stadt übernehmen? Da Bordelle, Sex-Shops oder Spielhallen nicht verboten sind, darf ich nicht nur sagen, wo ich sie nicht haben möchte – es muss dann mitbedacht werden, wo sie möglich sein sollen. In der einen Hand die Fahne der Freiheit und in der anderen das Protestplakat „Nicht in unserem Veedel!“ – beides passt nur schwer zusammen!

2013-12-10 17.31.58Was wir brauchen, sind auf der einen Seite Bebauungspläne, die einzelne Quartiere sehr genau und differenziert in den Blick nehmen (die z.B. die Einkaufsstraßen oder Straßen mit entsprechenden Gastronomien anders behandeln als die ruhigen Seitenstraßen und eine Anhäufung verhindern) – und auf der anderen Seite eine gesamtstädtische (oder zumindest gesamtstadtbezirkliche) Perspektive, die einen Ausgleich zwischen den einzelnen Stadtteilen herzustellen vermag! Als Bezirkspolitikerin habe ich natürlich die Belange meines Stadtbezirks im Blick – darf dabei aber die Anliegen der anderen Stadtbezirke nicht aus den Augen verlieren.

Inwieweit der kontinuierliche Ausschluss von bestimmten Vergnügungsstätten und Gewerben in einzelnen Gebieten auch zu deren Gentrifizierung beiträgt, müsste einmal ausführlicher diskutiert werden.

Um nicht missverstanden zu werden: Ich bin nicht für beliebig viele Vergnügungsstätten überall. Aber zu oft bekomme ich in meinem politischen Alltag Verwaltungsvorlagen über Bebauungspläne und Veränderungssperren, die undifferenziert einzelne Quartiere behandeln und die Ansiedlung von Vergnügungsstätten aller Art ausschließen, zugleich aber diese übergeordnete Perspektive vermissen lassen. Diese einzubringen ist Aufgabe der Politik. Dazu muss eine entsprechende ehrliche Diskussionskultur entwickelt und ein Dialog mit den BürgerInnen gesucht werden .

Vor allem aber braucht es aber PolitikerInnen, die ihren persönlichen Lifestyle (und denn ihrer WählerInnen) nicht zum Maß aller Dinge erheben …

Über mich

Mitglied der Bezirksvertretung Köln-Innenstadt, Sachkundige Bürgerin im Liegenschaftsausschuss des Rates der Stadt Köln

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