Oder wie man eine neue Sau durchs Dorf treibt …
Heute früh war es wieder soweit. Nachdem der Dom zunächst komplett oder nur ein bisschen eingezäunt werden sollte (war ja nicht so gemeint …), die Stadt dann mit dem Bubble Shooter gegen Seifenblasen zu Felde zog (war ja nicht so gemeint…), sollen jetzt sämtliche Straßenkünstler daran glauben.
Man erinnert sich: Seit den Silvesterereignissen wird in Köln diskutiert, wie die Sicherheit erhöht werden kann – rund um den Bahnhof und den Dom, aber auch darüber hinaus in der ganzen Stadt. Alle sind sich einig: Die Ereignisse der Silvesternacht 2015/2016 dürfen sich nicht wiederholen. Kölner und die Gäste in der Stadt sollen keine Angst haben müssen, abends durch die City zu gehen.
Vor diesem Hintergrund ist seit einigen Monaten auch die Überarbeitung der Kölner Stadtordnung in der Diskussion. Ausdrücklich begründet die Verwaltung die Dringlichkeit eine Veränderung der Kölner Stadtordnung:
„Die Änderung der Kölner Stadtordnung (KSO) stellt einen wichtigen Beitrag zur Steigerung der Sicherheit und Ordnung im Umfeld des Doms dar. Somit ist ein Inkrafttreten der Änderungen vor dem Jahreswechsel 2016/2017 erforderlich“ (so die Begründung in einer Anlage).
Zunächst einmal ist mehr als ärgerlich, dass wir als eines der zuständigen Gremien wieder erst aus der Zeitung von diesen Änderungsvorschlägen der Stadtordnung erfahren.
Aber man denkt sich: Es geht ja immerhin um Sicherheit. Mehr Sicherheit ist immer gut.Dann schaut man sich den Entwurf genauer an. So lesen wir beispielsweise unter den neuen Regeln:
„Im Umfeld des Domes sind Straßenmusik, Straßenschauspiel und andere Straßenkunst unzulässig. Das Umfeld des Domes umfasst auf der Nordseite die Domplatte einschließlich der Freitreppe und des unmittelbaren Bereichs vor dem Treppenaufgang auf dem Bahnhofsvorplatz einschließlich Chargensheimerplatz. Auf der Westseite das Domkloster einschließlich der Platzfläche am Römerbogen und des Kardinal-Höffner-Platzes sowie der Straßen Unter Fettenhennen und Domgässchen sowie den Wallrafplatz. Auf der Südseite die Straßen Am Hof und Bischofsgartenstraße einschließlich des gesamten Roncalliplatzes und der Nordseite des Kurt-Hackenberg-Platzes. Auf der Ostseite der Heinrich-Böll-Platz und die Gebäudewand des Museum Ludwig.“ (§ 9 (2) der geplanten Neufassung)
Danach soll die Straßenkunst grundsätzlich aus dem Domumfeld verbannt werden. Was bitte hat die Straßenkunst mit der Sicherheit im Umfeld des Doms zu tun? Gingen die Silvesterereignisse von Straßenkünstlern aus? Quatsch! Hier nimmt die Stadtverwaltung vielmehr zum Anlass, aus dem Umfeld des Domes zu verbannen, was ihr und ihrem Geschmacksurteil nicht passt.
Um es deutlich zu sagen: Für mich gehört die Straßenkunst in die City – und auch zum Domumfeld. Sie macht für mich das Domumfeld lebendig. Ich mag gerade an unserer Domplatte in ihrer heutigen Gestalt, dass sie Raum für Performance und Interaktion öffnet. Ich liebe es zu sehen, wie die einen über die Domplatte hetzten, die anderen mit Einkaufstüten den Platz queren, wieder andere auf der Platte liegen, um das beste Foto vom Dom zu machen oder eben bei den Pflastermalern oder Musikern stehen bleiben. Eine triste, totberuhigte Domplatte möchte ich mir nicht vorstellen!
Natürlich sind zum Beispiel die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Domforum oder den Geschäften genervt, wenn sie am Tag zum zwanzigsten Mal den Mann mit der Flöte (oder wen auch immer) zu ertragen haben und sie durchgehend beschallt werden. Aber mit Verlaub: Schon jetzt besagt die Stadtordnung, dass Straßenmusiker nach dreißig Minuten ihren Standort wechseln müssen (nach der jetzigen Ordnung müssen sie mindestens 200 m weiterziehen – nach der neuen 500 m und dürfen sich am Tag nur einmal an einem bestimmten Standort aufhalten: dem kann ich so zustimmen …) und dass jeweils in der zweiten Hälfte einer vollen Stunde (also beispielsweise zwischen 15:30 Uhr und 16:00 Uhr oder zwischen 16:30 Uhr und 17:00 Uhr etc.) überhaupt nicht musiziert werden darf.
Es besteht also in diesem Punkt weniger ein Regelungs- als vor allem ein Umsetzungsdefizit. Und wenn man etwas gegen Wildpinkelei und Vermüllung tun will: Auch hier geht es um eine Frage des Durchsetzens. Das Ordnungsamt muss durchgreifen und die schon jetzt vorgesehenen Bußgelder verhängen. Seine Mitarbeiter müssen entsprechend geschult werden. Sie dürfen nicht nur schulterzuckend an den Musikern vorbeigehen.
Und wen bitte stören die Pflastermaler? Oder die Jongleure? Lasst uns erst einmal die bestehenden Regeln durchsetzen! Dann sind wir schon im Sinne des Schutzes des Domumfeldes einen großen Schritt weiter.
Verwaltungsvorlage zur Kölner Stadtordnung
Pressemitteilung der SPD-Ratsfraktion am 21.10.2016
Presseberichte
Artikel im Express am 22.10.2016
Interview mit Dompropst Gerd Bachner in derKölnischen Rundschau am 22.10.2016